Der Kampf um die Demokratie

26.10.2017 – MG                          HIER mehr Fotos

Es schien eine goldene Zeit zu sein, die Jahre zwischen 1918 und 1933. Das Elend des 1. Weltkrieges war überstanden, ein neuer Aufbruch, Fortschritt und Industrialisierung im Werden und eine erste parlamentarische deutsche Demokratie, nach dem Tagungsort „Weimarer Republik“ genannt, entstanden. All dies und noch sehr viel mehr spiegelt sich in der Kunst dieser Epoche wider.

Die neue Ausstellung der Schirn „Glanz und Elend der Weimarer Republik“ legt Zeugnis davon ab. Als Kuratorin Ingrid Pfeifer vor 2 Jahren mit den ersten Überlegungen zu diesem Projekt begann, hatte auch sie zunächst die „Goldenen 20er“ im Hinterkopf und im Hinblick auf die Kunst die neue Sachlichkeit vor Augen, über die es bereits diverse Ausstellungen gibt. Doch schon bald entdeckte sie, wie faszinierend und vielschichtig die Thematik der damaligen Zeit war. Das Lösen vom Stilbegriff hin zu den unterschiedlichen Inhalten war die logische Folge.

Entsprechend geordnet ist die Ausstellung mit rund 190 Gemälden, Grafiken und Skulpturen von 62 Künstlern in 10 thematische Bereiche. Die vielen Facetten und das ungeschminkte Leben, das nach dem Trauma des verlorenen Krieges Schmerz, Hoffnungslosigkeit und Düsteres beinhaltet, geben der Ausstellung Dichte und Intensität. Schockierend und fast prophetisch erscheint, dass bereits zwischen 1921 und 1923 Hakenkreuze abgebildet sind und rechte Tendenzen sichtbar gemacht wurden, als hätten die Künstler die Katastrophe vorausgeahnt.

Viele bekannte, aber auch unbekannte Künstler zum Kennenlernen, sind mit ihren Werken vertreten. Die 10 thematischen Räume beginnen in einem Prolog-Raum mit Bildern aus allen Bereichen. Unter dem Themenbereich „Kunst und Politik“ geht es um die große Hypothek aus dem verlorenen Krieg, die Armut der Kriegsversehrten, die von der Politik im Stich gelassen wurden. Doch trotz sozialem Chaos oder als Gegensatz hierzu entwickelte sich ein „Vergnügungsindustrie“ mit „Prostitution als wachsendem gesellschaftlichem Phänomen“. Aber es gab auch emanzipatorische Entwicklungen „Die neue Frau“, die Stellungen in neuen Berufen eroberten, sogar als Ärztinnen, Akademikerinnen und politischen Aktivistinnen. „Die Paragrafen 175“ und „218“ werden in der Ausstellung in zwei weiteren Räumen in der Kunst der damaligen Zeit behandelt. Wichtige Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens nehmen den Bereich „Portraits als Spiegel der Gesellschaft“ ein. Galeristen, Journalisten, Schriftsteller, Industrielle, Ärzte und Naturwissenschaftler werden meist sachlich, glatt, kühl und verschlossen dargestellt. Aber auch Maschinen, Fabriken, rauchende Schornsteine und Bahnhöfe waren ein beliebtes Motiv, zusammengefasst unter dem Oberbegriff „Stadt – Land – Industrie“. Dem Thema „Sport in der Weimarer Republik“ ist ein weiterer Raum gewidmet, während es im letzten Bereich, dem Ende der Ausstellung – denn alle Ausstellungen in der Schirn haben dem Raum geschuldet einen Anfang und ein Ende – um „Soziale Themen“ geht. Arbeitslosigkeit, ein Oben und ein Unten, schildern die Künstler auf erschreckende Weise.

Schirn-Direktor Philipp Demandt bewertet die Weimarer Verhältnisse auch mit Blick auf die heutige Zeit, wo wie damals Reich und Arm weit auseinanderklaffen mit der Folge einer erstarkten Rechten und dem Ruf nach starker Führung. Verschiedene Ausprägungen in der Kunst bilden die Zeit nicht nur ab, sondern versuchen auch einzuwirken. Die Weimarer Republik war eine Zeit voller Spannung und Interessensgegensätze, beurteilt sie Helmut Müller vom Kulturfond. Die Welt scheint – wie heute – aus den Fugen. Auch insoweit kommt die Ausstellung zu diesem Zeitpunkt passend und ist hochaktuell.

 

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