Raffael, Werkstatt oder billige Kopie…?

07.11.2013 – MG                  HIER mehr Fotos

Raffael und das Portrait Julius‘ II im Städel

Raffael_Staedel_002In der aktuellen Kabinettausstellung über Raffaels Papst-Portrait von Julius II. geht es vornehmlich darum, die Unterschiede der verschiedenen Kopien heraus zu arbeiten und wissenschaftlich zu untersuchen. Das Städel-Museum hatte im Jahre2010 eine Fassung dieses Bildes erworben, die es in dieser Ausstellung in Konkurrenz stellt zu einer weiteren Kopie, die als Leihgabe aus den Uffizien in Florenz zu besichtigen ist. Hinzu kommt eine Arbeit von Tizian aus dem Palazzo Pitti. Nach dem Ankauf sah sich das Städel mit Angriffen konfrontiert, ihre Darstellung von Papst Julius II. sei eine billige Kopie und der Ankauf ein Skandal. Dies wollen Max Hollein als Städel-Direktor und Jochen Sander als Sammlungsleiter und Kurator nun mit dieser „Mini-Ausstellung“ widerlegen.  Mit aufwändigen, wissenschaftlichen, gemäldetechnischen Untersuchungen mittels Röntgen- und Infrarotaufnahmen soll geklärt werden, in welcher Zeitfolge und ob von Raffael selbst oder ihm und seiner Werkstatt bzw. nur letzterer die Bilder geschaffen wurden, wobei auch viele historische Hintergründe mit einbezogen werden. Schade ist, dass ausgerechnet das Gemälde, dass auch erst als Kopie mittlerweile aber  als Raffaels Erstfassung angesehen wird und in der National Gallery in London beheimatet ist, aus konservatorischen Gründen nicht entliehen werden konnte. Insoweit ist die jetzige Ausstellung nicht vollständig.

Dass trotz Einsatz all dieser modernsten Hilfsmittel die Fragen nicht endgültig geklärt werden können, wird schon bei der Einführung deutlich. Stephan Knobloch, Leiter der Gemälderestaurierung,  weist auf die Schwierigkeiten bei der Datierung hin, da Bilder aus der Renaissance eine hohe Restaurierungsgeschichte aufweisen. So war zwar das Städel-Bild beim Ankauf in gutem Zustand, dennoch war es erforderlich eine Firnisreduzierung vor zu nehmen und auf diese Weise bestimmte Partien frei zu legen. Auch wenn die Röntgenbefunde unauffällig waren, so konnte doch mit Infrarot durch eine sichtbar gewordene Unterzeichnung festgestellt werden, dass im Gesicht, an beiden Armen und an der Position des Stuhls Veränderungen vorgenommen wurden. Auch die Handhaltung war verändert worden.

Raffael_Staedel_013Professor Dr. Jürg Meyer zu Capellen, weltweit anerkannter Raffael-Experte und Autor eines Werk-Verzeichnisses der Raffael-Gemälde beleuchtet zum Verständnis  die Lebensumstände der damaligen Zeit. Julius II. war zum einen sehr kunstverständig für einen Papst, zum anderen sehr kriegerisch und galt als schwieriger Mensch. Raffael, der sicher auch seinem Druck ausgesetzt wurde, war eher ausgleichend. Das Portrait ist innerhalb einer kurzen Zeitspanne entstanden, da Julius es offensichtlich schnell haben wollte. Gründe hierfür lagen in Schenkungen an verschiedene Kirchen und  möglichweise in dem Umstand, dass Julius bestimmten Personen verpflichtet war.  Um schnellstmöglich die Wünsche des Papstes befriedigen zu können, war Raffael gezwungen, eine Werkstatt zu unterhalten. So ergaben sich stets kleine Abweichungen, die keinen Einfluss hatten, da der Papst den Wert der Arbeiten Raffaels kannte und nicht differenzierte. Nach Meinung von Meyer zu Capellen weist die Darstellung des Gesichts auf Raffael selbst.

Sander untermauert seine These von der Echtheit des Städel-Gemäldes mit  schöpferischen Veränderungen, die von der Unterzeichnung abweichend nur vom Künstler selbst und nicht von Helfern vorgenommen werden konnten. Dies ist beispielsweise sichtbar bei der Nase und ganz besonders bei der Gestaltung der Hand, die ursprünglich in Segenshaltung erhoben gewesen ein könnte. Interessant in diesem Zusammenhang ist auch, dass die Eicheln aus dem Wappen der Papstfamilie in der Unterzeichnung nicht vorhanden waren und später eingefügt wurden. Kein Kopist würde solche Veränderungen vornehmen.

Das Vorhandensein vieler Kopien war seinerzeit keine Besonderheit. Wenn man davon ausgeht, dass in London das eigenhändige Bild Raffaels hängt, so kann man annehmen, dass aufgrund des großen Bedarfs an Portraits weitere angefertigt wurden, wobei die Frankfurter Variante eine wichtige Rolle bei der Bildentwicklung darstellt. Ob in wieweit die Überlegungen der Fachleute richtig oder falsch sind, wird zu keinem Zeitpunkt definitiv zu klären und keine einvernehmlich Position zu finden sein. Weitere hitzige Debatten über das Städel-Bild sind sicher…

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